Diese Geschichte vom Ehepaar „X“ erzählt uns Herr Meyer, der
Paartherapeut, den Paula und ich konsultieren. Es hat mal wieder zu lange zu
heftig zwischen uns gerau(s)cht. Herr Meyer referiert über Alltagsrituale:
Ehepaar „X“ habe – vollkommen unbewusst – diesen Urlaubsstreit ritualisiert. Um
die Kinder – ganz buchstäblich – mundtot zu machen. Damit Papa auf der langen
Fahrt an den Atlantik (seine) Ruhe hat. Für zuhause gibt uns Herr Meyer die
Frage mit, was wir ritualisiert hätten. Auf der Fahrt nach Hause müssen Paula
und ich lachen: Wir? Rituale? Und womöglich welche, die wir unterbewusst für
die Erfüllung egoistischer Bedürfnisse nutzen? So ein Quatsch mit Soße. Da sind
wir sicher.
Einmal pro Woche – das ist längst kein Geheimnis mehr – gehen
Paula und ich zum Tanzzirkel. Leider ist ausgerechnet an diesem Tag obendrein viel
los: Das ältere Kind muss zum Training gebracht und von dort wieder abgeholt
werden. Letzteres eine halbe Stunde vor dem Beginn des Tanzabends um ein Viertel
vor neun. Irgendwann zwischen Feierabend, Trainingsende und Tanzbeginn wollen
wir – vor allem die Kinder – etwas futtern. Abgesehen davon haben Paula
manchmal, ich immer einen langen Arbeitstag hinter uns. Um sowohl die nervliche
als auch die zeitliche Belastung nicht unnötig in die Höhe zu treiben, haben
wir den Ablauf dieses Abends verbindlich festgelegt: Ich komme eine halbe
Stundefrüher „als„normal“ vom Büro nach Hause, Paula, das jüngere Kind und ich
essen dann gleich zu Abend, danach hole ich das andere Kind vom Training ab,
das dann alleine essen muss. (Jeder hat seinen Beitrag zu leisten!)
Seit Paulas Depression wieder hochkocht, fällt uns das
Tanzen schwer. Zuweilen stehen wir uns nur noch im Wege herum. Wir tanzen eher
gegen- als miteinander. Wir fetzen uns. Vor allen anderen. (Das ist nicht so
peinlich, wie man denken könnte. Die anderen Paar fetzen sich auch. Wir kennen
uns alle seit Jahren.) Und seit Paulas Depression wieder hochkocht, hat das
Attribut „verbindlich“ seine Bedeutung eingebüßt, restlos: In einer Woche komme
ich nach Hause, Paula hat noch nicht einmal damit angefangen, das Abendessen
vorzubereiten. „Ich habe es einfach nicht geschafft.“ Ein andermal ist zwar ein
Eintopf gekocht, aber Paula nicht da. „Ich habe den Feierabendverkehr auf dem
Heimweg von einer Patientin unterschätzt.“ Klar, auch ich kam ein-, zweimal „normal“
nach Hause, also später, als verbindlich vereinbart: „Das Telefonat mit dem
Kunden dauerte länger. Ich habe den Zug verpasst.“ Und so weiter, und so fort …
So angestrengt ich auch nachdenke, an maximal einem der „Tanz“abende der letzten
Saison sind wir einigermaßen ausgeruht zum Tanzzirkel gekommen. Wir stehen uns nur
noch im Wege herum. Wir tanzen eher gegen- als miteinander. Wir fetzen uns. Dieser
Abend ist im Eimer. Vielleicht sogar die ganze Saison. Entspannung?
Fehlanzeige!
Obwohl wir vor ein paar Wochen „eigentlich weiter in den
Tanzzirkel gehen“* wollten, haben wir unseren (Tanz)freunden in dieser Woche
mitgeteilt, dass wir nächste Saison nicht dabei sein werden. Quatsch mit Soße gibt es eben nicht.
*siehe Post „Totentanz“ vom 2. Februar 2013
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