In den USA gehört diese Situation wohl zum Alltag. Warum
sonst sollten uns unzählige Hollywood-Filme diese stereotype Szene so häufig zeigen?
Als ich noch alleine lebte, gehörte sie auch zu meinem Alltag. Ganz
buchstäblich sogar. Alle Tage lukullisches Niemandsland. Das hat mir nichts
ausgemacht. Hatten die Geschäfte geöffnet, habe ich auf die Schnelle etwas
eingekauft. Hatten sie geschlossen, habe ich meistens den lieben Kahli
angerufen. Eigentlich heißt er Sebastian Kahl; niemand nennt ihn so. Außer seiner
Mutter vielleicht, wenn es etwas Ernstes zu besprechen gibt – das aber vermute ich
nur. Mit Kahli kann man (auch heute noch, fast 20 Jahre später) vortrefflich unvertretbar
überdimensionierte Rib-Eye-Steaks mit Pommes Frites und Kräuterbutter essen. In
der Kneipe am See.
„Oder Gyros beim Griechen!“ Es ist Samstag und Paula hat
Spätschicht. Ich habe heute gegen Mittag eingekauft. Lust- und phantasielos,
angeekelt fast. Ein paar Nudeln, ein Pesto im Glas, die Notration eben. Der
Kater nach dem Herrenabend gestern steckt mir gehörig in Knochen und Schädel. Erst
jetzt am späten Nachmittag habe ich Appetit. Auf etwas Ordentliches. Im Kühlschrank
nur die Notration. „Also, dann lass’ uns zum Griechen gehen“, antworte ich auf
das Gejohle der Kinder.
Paula kommt kurz vor Mitternacht ins Schlafzimmer. Die ausgeprägte
Souflaki-Knoblauch-Wolke, die aus meinen Poren in den Raum dringt, gibt ihr den
Rest. „Was hast du denn gekocht?“, entfährt es ihr. „Nichts, wir waren beim
Griechen“, antworte ich wahrheitsgemäß. Schon aus dem Flur hallt Paulas
abschließendes „Boah nee“. Ich liege im Bett und übersetze: "Boah nee", das heißt
erstens: Verdammt noch mal Paul, jetzt habe ich die ganze Woche akribisch auf
das Haushaltsgeld geachtet. Habe keine Sperenzien gemacht beim Einkaufen und keine
beim Kochen. Und jetzt kommst du, und gehst mit den Kindern einfach mal so
essen. Der Herrenabend gestern war sicher auch nicht umsonst. Zweitens heißt „Boah
nee“: Ich komme mir irgendwie blöde vor. Ich stelle mich hier jeden Tag an den
Herd. Paul, hörst du? Jeden Tag. (Silben einzeln betont!) Und das obwohl ich keinen
Abend vor 23 Uhr zuhause war. Du, Paul, kommst hier nur reinspaziert und setzt
dich an den gedeckten Tisch. Ich fühle mich so wertlos. So geringgeschätzt. Ich
komme mir vor wie die Hausdienerin. Und du, du Paul, du hast nichts Besseres zu
tun, als mit den Kindern essen zu gehen.
Ich finde, die Kausalkette stimmt nicht. Das behalte ich für
mich. Nicht etwa, weil ich einen nächtlichen Streit vermeiden will. (Oder gar
eine neue Schwade „Mykonos-Platte“.) Nein, ich behalte das für mich, weil ich Paula
verstehe. Jetzt in diesem Moment verstehe ich dieses knappe, verhallte „Boah nee“.
Während der Woche habe ich es hingegen mal wieder nicht hingekriegt, mich in
sie hineinzuversetzen. Nicht eine Spur. Ich habe es nicht geschafft, mir klar
zu machen, was es für sie bedeutet, im Grunde die ganze Woche im Voraus zu
planen, alle diese Termine wahrzunehmen oder gar vorzubereiten und den Haushalt
zu managen. Aber ich habe es geschafft, Paulas Depression zu verdrängen, ihre Sprunghaftigkeit
und ihr mangelndes Selbstwertgefühl. Glückwunsch, Idiot.
Sollte ich mal wieder an einem Wochenende Herrenabend haben,
an dem Paula Spätschicht hat, gibt’s Käse-Zwiebel-Pizza mit Milch.
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