In der Küche schildert mir Paula, dass die Kinder im Wald Fangen
gespielt haben. Schon auf dem Heimweg sind sie einen Hang hinunter gerannt.
Unser Supermotoriker natürlich wieder vorneweg. Irgendwann war die angestrebte
Laufgeschwindigkeit zu hoch für die kurzen Beine: Pardauz – direkt mit dem Hüftknochen
auf einen kantigen Stein. Geblutet habe es „wie bei einem gestochenen Schwein“, meint Paula, „sei froh, dass du nicht dabei warst. Ich konnte beim Nähen
die Knochenhaut sehen.“ Mir wird beim Schreiben noch übel bei dem Gedanken. Ein
andermal musste dem Kind eine Kopfwunde genäht werden. Dabei bin ich – oh, Vater,
du Held! – beinahe ohnmächtig geworden, hätte ich mich nicht neben mein Kind auf
den Behandlungstisch gelegt.
Das ist gut ein Jahr her. Als ich vorgestern nach Hause
komme, sind die Kinder oben beim Spielen, Paula alleine beim Kochen in der
Küche. Noch bevor ich Jacke und Schuhe verräumt habe, ruft Paula „Kommst du mal bitte,
Paul!“ Inklusive des lang gezogenen Einatmens. Ich kenne den Ton, ich bekomme
ähnlich weiche Knie, wie damals bei der Kopfwundenoperation.
Paula hadert mit den Rahmenbedingungen für die geplante
stationäre Therapie. Die Klinik, die ihr empfohlen wurde, nimmt zwar, wenn alle
Stricke reißen, auch Überweisungen vom Hausarzt an, bevorzugt aber eine vom
Psychiater. Der hat erst Ende nächsten Monats einen Termin für Paula frei. Dann
würde sich der Klinikaufenthalt um mindestens zehn Wochen verschieben. Das ist
außerhalb des Zeitraums, in dem ich für die Kinderbetreuung Urlaub genommen
habe. Und leider auch in der Zeit, in der es an Paulas Arbeitsplatz
Personalengpässe gibt – wegen der Ferien. Deswegen hat Paula ein schlechtes
Gewissen: „Wenn ich da auch noch weg bin, gucken mich die Kollegen nie mehr an.“
„Ob dann wohl die Dorfhelferin ausgebucht ist?“, fragt sie sich außerdem. (Ich
weiß es doch auch nicht.) Die Krankenkasse übernimmt Betreuungskosten nur für
Kinder bis zwölf Jahre. Könnte passen, sofern das Geburtsdatum die
Bemessungsgrenze darstellt, nicht das Geburtsjahr. Bei alledem wäre es Paula am
liebsten, sie könnte gleich Morgen in die Klinik fahren. Das muss sie mir nicht
sagen, es ist offensichtlich: Ihr Gesicht ist jetzt wirklich so eingefallen und
fahl wie das von Villain Silva.
Ich versuche sie zu beruhigen, sage etwas von „ungelegten
Eiern“, von „Klarheit, die wir uns verschaffen müssten“ und von „in der
richtigen Reihenfolge sortieren.“ Das hilft nichts. Der Reis im Topf setzt
etwas an. Wir brechen das Gespräch ab. Zuviel geht durcheinander. Im Moment,
ganz generell.
Heute am frühen Morgen schlafen wir miteinander. Danach liegen
wir wie die Löffel in der Schublade aneinander. Nackt, kuschelig und vertraut. Paula
sagt mir, sie habe gestern einen Termin bei ihrer Hausärztin gemacht. Für
kommenden Mittwoch. Und sie will die Krankenkasse wechseln. Sie hat eine
ausgesucht, die die Dorfhelferin für Kinder bis zu 14 Jahren übernimmt.
Ich ziehe Paula ganz dicht an mich heran. Spüre ihre warme
Haut und schlafe ein.
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