Dienstag, 22. Januar 2013

Verunsichert

Ich muss mich zwingen, an etwas anderes zu denken. Schließlich will ich einschlafen, um für den Alltag einigermaßen fit zu sein. (Der Wecker steht auf 6:30 Uhr.) Ein paar Tage nur sind seit dem letzten Streit, dem Big Bang vergangen. Seither hat der Ernst der Lage eine neue Dimension bekommen. Das spüre ich. Irgendwie, aber nicht konkret. So recht bewusst gemacht habe ich mir das noch nicht. Ein paar Tage also. Tage der Wortlosigkeit. Tage der ausweichenden Blicke. Tage der Nullberührung.

Ich habe das Licht schon ausgeknipst. Paula liest noch. In dem Buch, das sie sich gewünscht hatte und das ich ihr zu Weihnachten geschenkt habe. Sie hat es fast zu Ende gelesen. Ob es spannend, unterhaltsam oder lustig ist, darüber hat sich mir nichts gesagt. Ich habe auch nicht danach gefragt. Sie macht das Licht jetzt aus. Ich höre ihre Decken und Kissen rascheln. Ich zwinge mich weiter, an etwas anderes zu denken.

Still freue ich mich über die neue CD meines Lieblingsmusikers, die ich heute bekommen habe, obwohl sie noch gar nicht offiziell im Handel ist. Ich hatte sie direkt beim Label bestellt. Und heimlich an die Firmenadresse schicken lassen. Das mache ich, weil wir uns ein strenges Sparprogramm auferlegt haben. Auch wenn der Kauf dieser CD von meinem Taschengeld abgedeckt ist, möchte ich die fragenden, enttäuschten Blicke von Paula vermeiden. Ich will mich freuen über die CD. Das tue ich jetzt. (Und die CD ist wirklich toll; eine Live-Platte, zum Teil bei dem Konzert aufgenommen, bei dem ich war. Also bin ich auch auf der CD zu hören; als Teil des jubelnden Publikums.)

Da spüre ich Paulas Arm, der mich von hinten umarmt. Die erste Berührung seit Tagen. Ich erschrecke nicht, aber es kommt mir fremd vor. Ich wäre fast schon eingeschlafen gewesen. Jetzt bin ich wieder wach.

Was tun? Habe ich Paula nicht schon oft vorgeworfen, dass sie auf meine Berührungen meist keinerlei Reaktionen zeigt. Weder positive noch negative? Nun liege ich da und grüble. Darüber, ob und wenn ja, was Paula von mir erwartet. Das ist Mist. Ich horche kurz in mich hinein. Vielleicht gibt es wenigstens eine Antwort auf die Frage, was ich möchte. Beklagenswerterweise finde ich keine Antwort. Ich fühle mich leer.

Wir liegen nebeneinander und sind doch „bis zum Mond und wieder zurück“ voneinander entfernt. (Wie es in dem Kinderbuch von Sam McBratney heißt. Dort allerdings haben sich der kleine Hase und der große Hase in dieser Größenordnung lieb.)

Totale Verunsicherung. Ich schiebe mich ein bisschen an Paula heran. Versuche, sie wenigstens spüren zu lassen, dass ich diese Umarmung nicht ganz … na ja … schlimm finde. Wir verharren. Keine Bewegung. Ich schlafe ein.

Tüdelütt, tüdelütt, tüdelütt – der Wecker! Scheiße, schon aufstehen. Ich treffe Paula in der Küche. Ich frage, wie der Elternabend gestern war. Wir reden ein bisschen über die Störenfriede in der Klasse. Unser Kind gehört auch dazu. Na toll!

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