Genauso tropft der Alltag in die Erholung des Urlaubs. Ach,
im Grunde fängt es doch schon auf der Heimfahrt an: Kurz vor dem Ziel gibt es –
„swuop“ – einen ätzenden Acht-Kilometer-Feierabendstau auf der
Nord-/Südtangente. Paula sitzt fast wortlos im Auto. Sie
ist die Dritte, die in der letzten Woche von Montezumas Rache heimgesucht wird:
Es fängt in der Nacht vor der geplanten Heimfahrt an. Paula ist geschwächt,
trinkt wenig, um die Fahrt so – sagen wir einmal – ereignisarm wie möglich zu
halten.
Der Samstag bleibt trotzdem entspannt. Wir gehen alle
zusammen einkaufen und besorgen das Geschenk für den Freund unseres Jüngsten, zu
dessen Übernachtungsparty er eingeladen ist. Paula und ich sind am Abend bei Ansgar
und Beate zum Essen eingeladen. Beate übertrifft sich mit sechs Gängen, an denen
sie seit 16:00 Uhr köchelt, mal wieder selbst. Paula und ich sollten eigentlich
wegen der Nachwirkungen der Magen-/Darmgeschichte vorsichtig sein. Leider
klappt das nicht. Alleine des formidablen Sauvignon Blancs wegen, den Ansgar ausschenkt.
Am Sonntag findet das Sondertraining für den Großen statt;
Paula fährt ihn früh um 9:00 Uhr hin. Um 14:00 Uhr – „swuop“, „swuop“ – läutet
das Telefon: Hartes Tackling, schwere Bänderdehnung. Paula muss ihn wieder
abholen. Am Abend erwischt Montezuma auch den Kleinen. Das Wochenende ist
gelaufen. In der Nacht kriege ich Magenkrämpfe. Sechs Gänge, der Sauvignon
Blanc und das ganze Heckmeck fordern ihren Tribut von meinen gestressten Innereien. Folglich bleiben
die Kinder und ich am Montag zuhause; Paula muss mit dem Großen am Nachmittag zum
Orthopäden. (Drei Wochen fällt das Training dann erst mal aus.)
Dienstag, Mittwoch und Donnerstag bleiben unauffällig. Bis
auf – „swuop“ – den Antrag für Paulas Therapieplatz. Vom Umfang ganz abgesehen,
sind (erwartungsgemäß) sowohl die Fragen, als auch die vorgegebenen
ankreuzbaren Antworten vollkommen realitätsfern. „Teilzeitarbeit mit
Schichtbetrieb“ zum Beispiel existiert in der Wahrnehmung der Leistungsträger
überhaupt nicht. Nun denn. Als Paula am Donnerstagabend zur Chorprobe geht,
habe ich endgültig das Gefühl, es ist wie immer. Alltag. Urlaubserholung adé.
Am Freitag hat Paula die erste Nachtschicht nach dem Urlaub.
Ich spüre ihre Anspannung schon am Donnerstag, als wir uns schlafen legen. „swuop“.
Doch nicht nur das: Im Pflegeheim, in dem Paulas demente Mutter lebt, findet
das jährliche Frühlingsessen statt. Das ist eine wirklich sympathische
Veranstaltung, für die die Mitarbeiter das Foyer des Heims liebevoll in ein
Restaurant verwandeln. Sie ziehen sich weiße Schürzen an und bedienen Bewohner
und Gäste. Paula geht mit ihrer Schwester hin. Als sie danach und damit vor der
Nachtschicht nochmal kurz nachhause kommt, ist ihre Laune im Keller. Sie geht
direkt nach oben. Ihr Gruß ist kaum zu vernehmen. Ich halte es noch
siebeneinhalb Minuten auf dem Sofa aus. Dann folge ich ihr. Sie liegt auf dem
Bett. Das Licht ist aus. Der Regen prasselt auf das Dachfenster. Paula ist
schlicht am Ende. Der Termin für die – „swuop“ – Zahnoperation ihrer Mutter
steht seit gestern fest. Das ist nicht irgendein Routineeingriff: Alle
verbliebenen Zähne, besser Zahnstümpfe müssen entfernt werden. Das
Infektionsrisiko ist nicht mehr kalkulierbar. Paula und ihre Schwester mussten
als Vormünder entscheiden, ob diese Operation durchgeführt wird. Zweifel
darüber plagen Paula jetzt. Und in 30 Minuten beginnt die Nachtschicht.
Dunkelblau.
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